Die Erstsprache verfügt über großen emotionalen Wert und hat darüber hinaus eine große Bedeutung für das Selbstbild. Schließlich übernimmt die Sprache, die als Mittel der Kommunikation dient und damit als Schlüssel für die Integration von MigrantInnen erachtet wird, eine wesentliche identitätsbildende Funktion.
SchülerInnen kommen mit verschiedenen Bildungsvoraussetzungen in die Schule, deshalb fordert P.F.Bourdieu eine Pädagogik, die um die Unterschiede weiß und etwas dagegen unternimmt.
So hielt Els Oksaar bereits in den 1980er Jahren fest, dass wohl „weit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung mehrsprachig ist“.
Wenn beispielsweise ein Kind die Familiensprache für unwichtig erachtet, kann dies eventuell der Ausdruck einer Internalisierung dessen sein, dass in der Aufnahmegesellschaft jene Sprache nicht geschätzt wird.
Finnische und schwedische AutorInnen empfehlen eine früh einsetzende Förderung der Erstsprache in der Vorschule und einen Erstsprachenunterricht in den ersten Grundschuljahren. Maßnahmen, die erst mit Schuleintritt wirksam sind, gelten als verspätet.
Weiters wurde in verschiedenen Studien nachgewiesen, dass SchülerInnen mit Migrationshintergrund erfolgreicher in den Schulen des Aufnahmelands sind, wenn ihre Erstsprache ebenfalls weiterentwickelt wird.
Nach Fthenakis et al. weisen die meisten Untersuchungen nach, dass bilinguale Ansätze im Unterricht zu besseren Leistungen führen als monolinguale. Dies zeigte sich in den Leseleistungen, wie auch in den allgemeinen zweitsprachlichen Kompetenzen. (vgl. Fthenakis et al.: 60f)
Fthenakis et al. schließen daraus, dass „bilinguale Erziehung imstande ist, das doppelte Handicap eines niedrigen sozialen Status und der Zugehörigkeit zu einer linguistischen Minorität zu kompensieren und das Ziel der Chancengleichheit zu erreichen“. (ebd.: 89)
Kulturelle Vielfalt sollte daher als wertvolle gesellschaftliche Ressource betrachtet werden.
Ein wichtiger Faktor, der in diesem Zusammenhang auch festgestellt worden ist, ist die Lesemotivation, die in der vertrauten Sprache größer ist.
Deshalb wurde in der VS Micheldorf der Versuch einer Lesereise in mehreren Sprachen gemacht, die ein voller Erfolg wurde.
Prinzessin Ardita in Albanisch, gelesen von Besa Morina u. Sabine Schreiber
Ein Tag mit Elmar in Polnisch, gelesen von Olivia Smaga u. Gerhard Lemmerer
Das kleine Ich bin Ich in Serbisch, gelesen von Edina Bajric u. Hannelore Sperr
Das Allerwichtigste in Spanisch, gelesen von Loida Pintado u. Sylvia Baldauf
Die kleine Schlange in Tschechisch, gelesen von Jolanka Klobusnikova u. Heike Weigl
Der kleine Frosch in Türkisch, gelesen von Ebru u. Elfriede Ferstl
Das kleine Wunder in Türkisch, gelesen von Öslan Baran u.Tanja Wimberger
Der verzauberte Regenschirm in Ungarisch, gelesen von Eszter Darazsacz u. Rosemarie
Weiss
SchülerInnen, LehrerInnen, Mütter, Leseomas und Leseopa als Fotografen, allesamt Experten im Vorlesen ihrer Muttersprache, begaben sich mit Freude, Spannung, Schwung und Elan auf eine mehrsprachige Lesereise – Eine Reise ins Land der Bücher , Kreativität und Fantasie.
Helga Lenzenweger